Warum wir eine Gedenkstätte am Unglücksort brauchen

Ein Kommentar

Vor fast zwei Jahren starben in Duisburg bei der Loveparade 21 junge Menschen. Seit jenem Sommer gibt es am Unglücksort an der Zugangsrampe zum Gelände, auf dem die Loveparade stattfand, eine provisorische Gedenkstätte, an der Menschen der Opfer dieser „amtlich genehmigten Katastrophe“ gedenken. Das Gelände des Alten Güterbahnhofs – auch „Duisburger Freiheit“ genannt, nach dem Masterplan des Star-Architekten Sir Norman Foster – ist mittlerweile verkauft. Ein Investor will dort Möbelhäuser bauen.

Schon seit längerem ist der Investor, Kurt Krieger aus Berlin, in Gesprächen mit Angehörigen der Todesopfer und mit Opfern, die vor Ort Schlimmes erlebt haben. Diese Gespräche scheinen mittlerweile endgültig gescheitert (siehe „Stellungnahme der Loveparade Selbsthilfe e.V. zum B-Plan “Duisburger Freiheit” vom 15. Mai 2012“).

Nun wäre der Stadtrat am Zuge, der den „historischen Ort der Katastrophe“ im Bebauungsplan als „Gedenkstätte“ ausweisen könnte. Damit wäre zwar der Investor Kurt Krieger nicht gezwungen, dort eine solche einzurichten. Allerdings dürfte er auf der bezeichneten Fläche aber auch nichts anderes bauen. Leider ist zu befürchten, dass genau dies nicht passiert. Zu sehr war 2010 auch die Politik jeglicher Couleur dem obersten Befürworter und Vorturner dieser Stadt (danke, parcelpanic!), der diese Veranstaltung unbedingt hier haben und keine Gründe einsehen wollte, warum nicht … Wie die Lemminge waren sie damals hinterhergelaufen! Und da steht natürlich zu befürchten, dass eben diese Lemminge jetzt und in Zukunft daran nicht auch noch erinnert werden wollen. Entsprechend klein ist im der zuletzt diskutierten Bebauungsplan für diese Fläche (B-Plan Nr. 1129, hier mein Bericht von der Ratssitzung am 26. März 2012) das vorgesehene Areal für eine Gedenkstätte gehalten.

B-Plan 1129 (letzter Entwurf): Die Gedenkstaette an der Rampe

Die Ausweisung einer größeren Fläche für eine Gedenkstätte im Bebauungsplan wäre ein politisches Signal und ein erster Schritt; und sie würde den Ort der Katastrophe vor einer Überbauung schützen. Allerdings ist natürlich eine Verweigerungshaltung auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn wenn Krieger die als Gedenkstätte ausgewiesene Fläche brach liegen lässt, entsteht dort ein Schandfleck – für die Stadt, aber auch für ihn als Investor!

Gedenkstätte als Spiegel einer Offenheit im Umgang mit der Katastrophe,
die Duisburg dringend braucht

Duisburg braucht ein Gedenkstätte am Unglücksort. Zum einen ist der möglichst vollständige Erhalt des Ortes wichtig, um einen Eindruck von den Räumlichkeiten der Katastrophe zu bekommen. Zum anderen ist das Gedenken an diesem Ort nötig, denn hier ist nicht einfach ein Unglück passiert. Es war eine „amtliche genehmigte Katastrophe“, weil sich Behörden (auf Druck von oben?) über Bedenken von Fachleuten hinweg gesetzt haben. So etwas darf nie wieder geschehen – weder hier noch anders wo! Auch dazu sollte uns diese Gedenkstätte ermahnen: Dass nicht wieder Menschen eine Veranstaltung genehmigen, um wen-oder-was-auch-immer im besten Licht dastehen zu lassen – und dabei gut begründete Risiken und Bedenken unter den Teppich zu kehren. Wenn es denn schon hier in unserer Stadt passieren musste, dann haben wir aber auch die Verantwortung, die Welt daran zu erinnern, damit so etwas nie wieder geschieht.

Hier ist ein offener Umgang mit den Geschehnissen von damals gefragt. Jeder der Beteiligten muss sich fragen, was er hätte tun können, um zu vermeiden, dass eine solche Gefahrensituation entsteht. Und diesem „offenen Umgang“ mit der Katastrophe und ihren Ursachen – und deren Klärung – wird nur eine großflächige, offen gestaltete Gedenkstätte gerecht. Nicht als Makel, sondern als Symbol für den Willen, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Die Welt will diesen Ort sehen und der Opfer gedenken. Zeigen wir ihr, dass wir offen damit umgehen und den Willen haben, es nie wieder zu einem solchen Unglück kommen zu lassen!

Mein Favorit für eine eben solche Gestaltung ist immer noch der erste Entwurf, den Klaus-Peter Mogendorf von einem befreundeten Architekten anfertigen ließ: die Rampe bleibt unten an der Karl-Lehr-Straße in ihrer vollen aktuellen Breite erhalten. Nach hinten verjüngt sich die Fläche; links im Bild ist der Ort des Unglücks und des Gedenkens. Zugang zum oben liegenden Gelände der „Duisburger Freiheit“ gewährt eine flach nach oben laufende Rampe. …

Je kleiner die Gedenkstätte, umso größer der Makel –
für die Stadt und das oben liegende Gelände

Das „kleine Loch“ welches Kurt Krieger als Gedenkstätte plant, ist nicht nur für die Stadt Duisburg eine Katastrophe. Sie schadet auch Krieger, denn eine offene, weitläufige Gestaltung wäre auch eine Werbung für das Höffner-Möbelhaus, welches dort entstehen soll. Wer dort einkauft, will keine enge Sozialwohnung einrichten, sondern sein Heim großzügig gestalten. Da schreckt ein enger Raum, sofern man neugierig genug ist, nach ihm zu suchen, eher ab. Und davon – Menschen, die den Unglücksort suchen – wird es viele geben, das Gelände hat schließlich „historische Bedeutung“, wenn auch keine positive. Eine „positive“ Wirkung lässt sich nur dann erzielen, wenn der Ort ansprechend gestaltet ist – und sauber und gepflegt gehalten wird! Wie viele Menschen auch heute schon – zum Teil von sehr weit her – diese Ort besuchen, kann man immer wieder an den Kennzeichen der geparkten Autos an der Rampe erkennen oder in Gesprächen erfahren.

Abschrecken dürfte dieses „Loch“, wie es zur Zeit in der Planung steht, auch die Opfer, die vor Ort in der Enge am 24. Juli 2010 Todesängste ausstanden. Die Todesopfer waren zerquetscht und erdrückt worden. Die Überlebenden dürften noch viele Jahre mit Phobien in engen Räumen zu kämpfen haben.

Je offener und freier der Ort des Gedenkens zugänglich ist, umso mehr verhindert „soziale Kontrolle“ durch Menschen vor Ort ein mutwilliges Zerstören oder Verdrecken. Man kann am Ort des Unglücks innehalten und verweilen, muss aber nicht, weil er eingebunden ist in einen offenen Zugang um Möbelhaus-Gelände von der tiefer gelegenen Karl-Lehr-Straße her. Die Gedenkstätte wirkt nicht mehr wie ein Stachel im Fleisch: Eine schwärende Wunde, je mehr der Ort verkommt und verdreckt. Denn genau dies befürchte ich, wenn ein rundum geschlossener Gedenkraum mit hohen Mauern, oben offen zwar (da kann man von oben doch gut seinen Müll runter werfen), aber nur von unten aus dem Dunkel des Tunnel zu erreichen, dort entsteht. Auch das lockt im Dunkeln eine bestimmte Klientel an, die nicht auf eine saubere und gepflegte Umgebung wert legt. Und dann entsteht hier wirklich nichts weiter als ein Schandfleck – für die Stadt Duisburg ebenso wie für den Investor Kurt Krieger. Und das ist mit Sicherheit keine Werbung!

Nur: mit Konfrontation ist niemandem gedient. Nur eine einvernehmliche Lösung kann für alle Seiten befriedigend sein. Gemauschel hinter verschlossenen Türen ist aber auch nicht die Lösung. Jedem muss klar sein, wo seine Vorteile liegen. Solche Vorteile habe ich auch in meiner Vision vom dritten Jahrestag aufgezeigt. Eine großzügig gestaltete, offene und gepflegte Gedenkstätte bietet zweifellos ihre Vorzüge für alle Seiten!

© 2012 Petra Grünendahl

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9 Antworten zu Warum wir eine Gedenkstätte am Unglücksort brauchen

  1. parcelpanic sagt:

    […] Vorturner dieser Stadt (danke, parcelpanic!) […]

    da nicht für, immer gerne! 😉
    es wäre wohl eher an mir mich zu bedanken, z.b. für regelmässiges verlinken bei FB! … was ich mit einem *knicks* hier gerne tue!

    keep that good stuff going!

    Gruß, mich

  2. Pingback: abgespickt… | KarussellBremser – ein PaketSchubserProjekt

  3. Lothar Evers sagt:

    Ein kurzes update:
    es sieht so aus, als wolle man den Bebauungsplan am kommenden Mittwoch in der Sondersitzung des Rates endgültig verabschieden. Mit diesem Tempo hatte wohl niemand gerechnet. Lese mich gerade in die Vorlagen zu dieser Ratssitzung ein. Die gibt es hier:
    https://www.duisburg.de/ratsinformationssystem/bi/to0040.php?__ksinr=20052818

    • Vielen Dank, Lothar!
      Dass da jetzt Bewegung reinkommt, war mir klar, als ich für den nicht-öffentlichen Teil der Ratssitzung vom letzten Montag (25. Juni) als TOP „B-Plan 1129“ las – „B-Plan 1129“, mehr nicht … Wer involviert ist, weiß, wofür das steht … 🙁

      • Lothar Evers sagt:

        In einer der Vorlagen für Mittwoch steht, dass inzwischen ein Erschliessungsvertrag zwischen Krieger und der Stadt geschlossen wurde. Ich nehme an, dass der auf der Ratssitzung vom Montag genehmigt wurde.
        Diese Dinge werden immer im nicht öffentlichen Teil behandelt und die Überschriften sind dann in der Tat nicht gerade informativ.

  4. Pingback: Umleitung – Presseschau vom 30.6.12 » xtranews - das Newsportal aus Duisburg » Duisburg, Presseschau, Umleitung

  5. Nazis Raus sagt:

    Frau Grünendahl,

    wofür brauchen Sie eine Gedenkstätte, und wer ist wir?

    • Nicht nur der Opfer des Nationalsozialismus ist zu gedenken, sondern auch der Opfer der Loveparade: Die Menschen hier in Duisburg, aber auch im Rest der Welt sollten sich an die bösen Folgen einer verfehlten Politik erinnern und diesen Ort als Mahnung verstehen.

      Deswegen brauchen WIR (alle, die wir leben) diesen Ort als Erinnerung und als Mahnung!

  6. Rudolf Kley sagt:

    Als ich vor der Treppe auf der Rampe stand und Fotos gemacht habe, war ich ob der sich mir darbietenden Situation sehr ergriffen und bin in mich gekehrt. Das kann keine Gedekstätte leisten, die für mich optisch gesehen wie ein Kindersarg daherkommt und bei mir schon beim Anblick Platzangst auslöst. Die Frage, die sich mir stellte war die, ob die Situation als solche erhalten werden sollte, was imir bisher aus der Presse als unmöglich herüberkam, oder ob dazu eine Alternative denkbar wäre. Daraus hat sich bei mir ein Vorschlag entwickelt, den ich aus zwei Gründen für diskussionswürdig halte. Vielleicht bietet er ja eine Möglichkeit, sich bei der Gedenkstätte aus der Rolle eines Bittstellers zu befreien und zweitens mal über die Frage nachzudenken, ob man das Wichtige nicht ausschneiden und aus dem Keller auf die Ebene erhöhen könnte, so dass das Aufsuchen der Gedenkstätte erleichtert und für viele Bürger nicht zum Zufallsbesuch wird..Natürlich habe ich Ideen genug, aber ich fände es besser wenn diese – wenn überhaupt – anonym zum Tragen kämen. An so einer Gedenkstätte darf sich niemand profilieren. Noch mehr aber hasse ich die Anonymität , die Worten die Verantwortung stiehlt. In diesem Fall ein unlösbarer Konflikt. Deshalb jetzt hier ein Auszug aus meiner Webseite:

    Bürger mit Rechtsschutzversicherung und Interesse gesucht. Folgendes kann die Gerichte jahrelang beschäftigen, oder zu einer akzeptablen Gedenkstätte führen!

    Bei den weniger Kunstinteressierten ist es nicht unumstritten, dass aus gewöhnlichen Alltagsgegenständen Kunstwerke eines bestimmten Künstlers entstehen können, ohne dass seine gestaltende Hand in irgendeiner Weise sichtbar wird. Der Gegenstand wird ausschließlich durch seine Präsentation und die Erklärung des Künstlers zum Kunstwerk erhoben. Er macht eine Metamorphose durch, die wieder verschwindet, wenn der Betrachter den Gegenstand z.B. in einer anderen Umgebung erblickt. Eigentumsverhältnisse wirken sich auf die Kunstwerkeigenschaft nicht aus. Allein der Künstler ist für die Zuweisung der Kunsteigenschaft zuständig und ein Publikum, dass seine Ansicht teilt. Dies wird durch die Kunstgeschichte so belegt.

    Ein Urteil aus dem Jahr 1982 „Hajek vs. ADAC“ gesteht dem Automobilclub das Recht zu, dass Kunstwerk des Künstlers Otto Hajek zu beseitigen. Andernfalls, hätte der Automobilclub das Kunstwerk, das er schon teilweise entfernt hatte, wieder in den Originalzustand versetzen müssen.

    Was bedeutet dies für die Unglücksstätte der Loveparade-Katastrophe, die ich am 2. Juni zum Kunstwerk erklärt habe?

    Sie darf abgerissen werden. Jede mit mir nicht abgestimmte oder geduldete Veränderung dagegen ist eine Urheberrechtsverletzung. Darüber hinaus kann ich über die rechtlichen Folgen nichts sagen. Vermutlich ist das ein Fall für die jahrelange Beschäftigung von Gerichten mit ungewissem Ausgang.

    Nun könnte ich aber das Urheberrecht auf jemand anderes übertragen, der z.B. Willens ist, einen solchen Prozess durchzustehen, weil er an der Gedenkstätte ein besonderes Interesse hat Auf diese Weise könnte der Betreffende sein Recht einklagen, während er zuvor ganz auf den guten Willen des Eigentümers angewiesen ist. Natürlich könnte dieser die Gedenkstätte ganz abreißen. Allerdings würde er dafür eine öffentliche Empörung ernten, deren Schaden schwer abzuschätzen ist.

    Die Schaffung dieser Kunst-Gedenkstätte ist der Beginn einer Auseinandersetzung jetzt mit gleichlangen Spießen, wenn diese Chance nur begriffen und richtig umgesetzt wird.

    Rudolf Kley

    Duisburg, den 3. Juli 2012

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