Gegen das Vergessen: Stolpersteine in Wanheimerort

Nie wieder Faschismus!
Von Petra Grünendahl

Der Stein von Wilhelmine Struth befindet sich vor dem Haus Erlenstraße 127a. Foto: Petra Grünendahl.

Der Stein von Wilhelmine Struth befindet sich vor dem Haus Erlenstraße 127a. Foto: Petra Grünendahl.

Sie war 28 Jahre alt, als die SS sie durch das Fenster ihres Wohnhauses an der Erlenstraße 127b erschoss. Es war der 2. Februar 1933 – nur drei Tage nach der Machtergreifung Adolf Hitlers, als die Nazis anfingen, unliebsame Bürger zu beseitigen. Wilhelmine Struth (1904 – 1933) war Arbeiterfrau, in der Deutschen Arbeiterbewegung aktiv und Kassiererin der KPD in Wanheimerort. Damit galt sie den neuen Herrschern in Deutschland als gefährlich. Und ganz offensichtlich hatten sich die Nationalsozialisten schon vor der Übernahme der Macht genau nach solchen Leuten umgesehen, sonst hätten sich nicht so zügig mit der Beseitigung und Ermordung potenzieller Widerständler anfangen können. In Wanheimerort erinnert ein Stolperstein vor ihrem Haus an Wilhelmine Struth.

Stolpersteine mahnen: Still fordern sie auf, inne zu halten. Wer die Inschriften liest, wird an Menschen erinnert, die im Nationalsozialismus den Regierenden ein Dorn im Auge waren: Juden, politisch Andersdenkende, Gewerkschafter, Kirchenvertreter, Menschen, die sich gegen die Diktatur zur Wehr setzten und die von den Nazis als gefährlich eingestuft wurden. Drei dieser Stolpersteine gibt es auch in Wanheimerort: Vor den Häusern in den Bürgersteig eingelassen sind sie an der Erlenstraße 127a, Schmiedestraße 15 und Ginsterstraße 14. Diese Steine erinnern an Wilhelmine Struth, Heinrich Bachler und Michael Rodenstock.

Vor dem Haus Schmiedestraße 15 erinnert ein Stein an Heinrich Bachler. Sein Sohn Bruno, der im Widerstand aktiv war, überlebte den Krieg. Foto: Petra Grünendahl.

Vor dem Haus Schmiedestraße 15 erinnert ein Stein an Heinrich Bachler. Sein Sohn Bruno, der im Widerstand aktiv war, überlebte den Krieg. Foto: Petra Grünendahl.

Heinrich Bachler (1900 – 1944) war aus Ostpreußen ins Ruhrgebiet zugewandert, weil er hier Arbeit in der Fabrik finden wollte. Politisch war er in der KPD aktiv. Am Tag des Reichstagsbrandes, am 27. Februar 1933, wurde er in „Schutzhaft“ genommen. Die Nationalsozialisten deportierten ihn zunächst ins KZ Börgermoor im Emsland, später wurde er in andere KZs verlegt. Er starb an den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen am 14. Januar 1944.
Sein Sohn Bruno engagierte sich im Widerstand bei den Edelweißpiraten. Nach seiner Gesellenprüfung als Dreher wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Dort verteilte er Flugblätter der Engländer im Umfeld der Kaserne, was zu seiner Internierung im KZ Buchenwald führte. In einer Strafkompanie an der Ostfront wurde er zum Minenräumen eingesetzt, bis er desertierte und sich nach Sachsen absetzte, wo er das Kriegsende abwartete. Er starb erst 2011 mit 87 Jahren.

Die Inschrift auf dem Stein an der Ginsterstraße 14 ist wie wegpoliert und kaum noch zu entziffern: „Hier wohnte Michael Rodenstock Jg. 1885 Gewerkschafter ermordet 2. Mai 1933“. Foto: Petra Grünendahl.

Die Inschrift auf dem Stein an der Ginsterstraße 14 ist wie wegpoliert und kaum noch zu entziffern: „Hier wohnte Michael Rodenstock Jg. 1885 Gewerkschafter ermordet 2. Mai 1933“. Foto: Petra Grünendahl.

Michael Rodenstock (1885 – 1933) ist heute wohl der Präsenteste der drei Nazi-Opfer. Die Wanheimerorter SPD ehrt ihn seit 2009 mit dem Michael-Rodenstock-Haus am Posadowskiplatz, in dem sich die Büros des Ortsverbandes befinden. An der Ruhrorter Straße 11 erinnern vier Stühle an vier am 2. Mai 1933 dort im Keller des damaligen Gewerkschaftshauses ermordete Gewerkschafter: Julius Birck, Emil Rentmeister, Johann Schlösser und eben Michael Rodenstock. Außerdem ist ein Tagungsraum im DGB-Haus am Stapeltor nach dem ehemaligen Gewerkschaftssekretär benannt. Vor dem DGB-Haus erinnert ein Mahnmal an die vier Ermordeten.
Michael Rodenstock war Gewerkschafter, Distriktvorsitzender der SPD Wanheimerort und saß im Rat der Stadt Duisburg. Er war Vorsitzender des „Reichsbanners“ Duisburg und Mitbegründer des Kleingartenvereins Heimaterde. Wenige Wochen nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde er von Angehörigen der SA verschleppt, zusammen mit Gewerkschaftskollegen im Keller an der Ruhrorter Straße gefoltert und schließlich erschlagen. Die Leichen wurden im Hünxer Wald in Dinslaken verscharrt. Sie seien mit der Gewerkschaftskasse ins Ausland geflüchtet, verbreiteten die Nazis, um ihre Tat zu vertuschen. Im April 1934 fand man die Leichen, die anschließend auf dem Dinslakener Friedhof beigesetzt wurden.

Stolpersteine

Die würfelförmigen Steine werden in den Bürgersteinbelag eingelassen. Foto: Petra Grünendahl.

Die würfelförmigen Steine werden in den Bürgersteinbelag eingelassen. Foto: Petra Grünendahl.

Die „Stolpersteine“ sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Diese Gedenktafeln erinnern an das Schicksal der Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Die Stolpersteine sind quaderförmige Betonsteine mit einer Kantenlänge rund 10 Zentimetern, auf deren Oberseite sich eine individuell beschriftete Messingplatte befindet. Sie werden in der Regel vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in das Pflaster des Gehweges eingelassen. Mittlerweile finden sich rund 45.000 Steine nicht nur in Deutschland, sondern auch in 17 weiteren europäischen Ländern. [Quelle: Wikipedia]

Mehr über das Projekt Stolpersteine erfahren Sie hier: https://www.stolpersteine.eu/ und unter https://www.stolpersteine-online.com/.

In Duisburg koordiniert die Verlegung der Stolpersteine der Jugendring der Stadt Duisburg e.V., Claubergstr. 20-22, 47051 Duisburg, Telefon 0203 / 26246, eMail jugendring-duisburg@t-online.de, https://www.jugendringduisburg.de/.

© 2014 Petra Grünendahl (Text und Fotos)

4 Antworten zu Gegen das Vergessen: Stolpersteine in Wanheimerort

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