Loveparade 2010 in Duisburg: Anklage löst das Problem nicht – ein Kommentar

Anklage gegen zehn Mitarbeiter von Bauordnungsamt und Veranstalter: Nur die „zweite Reihe“!

Die Staatsanwaltschaft hat nun begründet, warum sie zehn an Planung und Genehmigung der Loveparade 2010 beteiligte Mitarbeiter der Stadt Duisburg (Amt für Baurecht und Bauberatung) und des Veranstalters Lopavent anklagt: Wegen fehlerhafter Planung, wegen Genehmigung einer Veranstaltung, die nicht genehmigungsfähig war, und wegen der fehlenden Überprüfung von Auflagen, die in der Genehmigung gemacht worden waren.

Fertig gestellte Gedenkstätte für die Opfer der Loveparade 2010 in DuisburgFormaljuristisch ist dieses Vorgehen natürlich korrekt. Die Ermittlungsbehörden konnten diesen Mitarbeitern strafrechtlich relevantes Verhalten nachweisen und müssen nun mit ihren Beweisen das Gericht überzeugen. Dass hier der Eindruck rüberkommt, dass man die Kleinen hängt, während man die Großen laufen lässt, ist verständlich. Denn angeklagt wird die „zweite Reihe“ – Leute die nur das gemacht haben, was von ihnen erwartet wurde. Weil sie keinen Widerstand geleistet haben gegen etwas, was ihnen als unrealisierbar klar gewesen sein musste. Der berühmte Kommentar des damaligen Baudezernenten Jürgen Dressler, dass er die Verantwortung ablehne, weil die Genehmigung nicht den Vorschriften entspreche, hilft ihm da auch nicht weiter, denn letztendlich soll er sich ja doch auf Linie gebracht haben lassen. Dafür wird er jetzt mit fünf seiner (ehemaligen) Mitarbeiter im Bauamt angeklagt.

Sicherheitsbedenken waren im Vorfeld bekannt. Experten hatten gewarnt. Und die Mitarbeiter im Amt für Baurecht und Bauberatung, allen voran Dezernent Jürgen Dressler, waren auch gar nicht willens, die Genehmigungen zu erteilen. Dafür spricht, dass sie erst einen Tag vor der Veranstaltung unterschrieben wurden. Und hier liegt das Problem: Die Mitarbeiter werden angeklagt, weil sie sich nicht widersetzt haben – dem Druck, wo auch immer er herkam. Behörden fördern nach wie vor ein Obrigkeitsdenken, was nicht immer angemessen ist. Widerspruch wird selten geduldet, Eigeninitiative ist selten erwünscht. In einem solchen Umfeld darf sich keiner wundern, wenn Leute nicht aufbegehren, Fehler anprangern und öffentlich machen. Wenn Vorgesetzten nicht hören wollen, hält man dann halt lieber still. Ein Fehler, wenn es um Leben und Wohlbefinden von Menschen geht – wie in diesem Fall!

Niemand hat „Hurra“ geschrien, diese Veranstaltung zu genehmigen. Sie war politisch gewollt – von wem auch immer: Von der Kommunalpolitik beispielsweise ebenso wie von den Verantwortlichen von Ruhr 2010. Auch die alte Landesregierung unter Jürgen Rüttgers soll Druck gemacht haben. Ein Druck, unter dem niemand aufbegehren wollte, obwohl er es, da mit der konkreten Planung befasst, hätte besser wissen müssen. Weil niemand die Verantwortung übernehmen wollte, eine Veranstaltung platzen zu lassen, die „so“ gewollt war.

© 2014 Petra Grünendahl (Text und Fotos)

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